Dem CO2-Fußabdruck auf der Spur
- Galvanik 4.1 zum Mitmachen
Ein gemeinsamer Workshop der BAG Analytics, B+T Unternehmensgruppe und der Gravitech über elektronische Lösungen für die Galvano-
und Oberflächentechnik informiert über die Potentiale zur Steigerung der Effizienz im Unternehmen. Entwicklungen aus den kooperierenden
Unternehmen zeigen auf, wie Energie, Ressourcen und Arbeitskräfte optimal im Unternehmen eingesetzt werden können. ASAP, die Plattform,
die LIMS und alle Betriebsbereiche verbindet, konnte erstmals getestet werden.
Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft können oder möchten sich ein Leben ohne die elektronischen Helfer – von Desktop-Computer
über Mobiltelefon und -Tablet bis hin zur Smart-Watch – nicht mehr vorstellen. Geht der Blick etwas tiefer, dann zeigt sich, dass der
tatsächliche Nutzen dieser Geräte für den Einzelnen oftmals kaum zu erkennen ist. Häufig trifft dies auch für die vorhandenen elektronischen
Gerätschaften in industriellen Fertigungseinrichtungen zu. Elektronische Geräte erstellen hier zwar sehr umfangreiche Datenbestände, eine
sinnvolle Auswertung findet dagegen nur bedingt statt. Die Unternehmen B+T Oberflächentechnik, K-Alpha, ID Solutions und BAG, befassen sich
seit einigen Jahren damit, die Möglichkeiten der modernen Elektronik und Programmtechnik für die ureigenen Ziele eines produzierenden
Unternehmens zu nutzen. Zu den aktuell drängendsten Zielen zählen neben dem wirtschaftlichen Erfolg der effiziente Umgang mit Energie und
Rohstoffen, die Vermeidung der Entstehung von umweltschädlichen Substanzen, aber auch die Gewinnung von qualifizierten Arbeitskräften.
Im Rahmen eines Workshops zeigten die verbundenen Unternehmen der B+T Unternehmensgruppe in den Räumen des Standorts Hüttenberg im November
vergangenen Jahres, wie die verschiedenen Einrichtungen bedient werden können und welche Ergebnisse zu erwarten sind. An zwei
Veranstaltungstagen haben insgesamt etwa 40 Fachleute aus der Galvano- und Oberflächentechnik das Angebot wahrgenommen. Frank Benner,
Dr. Elke Spahn sowie Fabian Herbst erläuterten in vier Vorträgen Details und Hintergründe zu den verschiedenen Technologien.
Digitalisierung und CO2-Fußabdruck
Im Unternehmen von Frank Benner, CEO der B+T Unternehmensgruppe, zählt IT inzwischen zu den Grundeinrichtungen der Fertigung. Ein wichtiger
Punkt, der ohne die auf elektronischer Datenverarbeitung basierenden Technologien kaum mehr erfüllt werden kann, ist die Ermittlung des
CO2-Fußabdrucks, wie Frank Benner einleitend ausführte. Und der CO2-Fußabdruck hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Kennwerte
im Hinblick auf den Umweltschutz entwickelt. Da insbesondere die Galvanotechnik stets mit einem schlechten Image in der Bevölkerung zu kämpfen hat,
ist der Nachweis von erfolgreichen Bemühungen im Sinne des Umweltschutzes sehr hilfreich für galvanotechnische Unternehmen.
In der Praxis werden bei der B+T Unternehmensgruppe verschiedene Technologien eingesetzt, die zum großen Teil im eigenen Unternehmen entwickelt
und optimiert wurden. Die B+T untermauert damit die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, aufgrund des großen Anteils an Strom und Gas, der für
die Produktion der galvanischen Beschichtung und der Härterei benötigt wird, IT-Lösungen zu nutzen. Neben den betriebswirtschaftlichen Anforderungen
wird die Sinnhaftigkeit der Einrichtungen aber auch durch die gesteigerte Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit den neuen Technologien deutlich.
Dabei gilt dies nicht nur für die eigentliche Oberflächenbearbeitung sondern auch für zusätzliche Arbeitsschritte wie das Verpacken von Artikeln.
Dabei wird bei B+T die IT-Technologie so weit vorangetrieben, dass alle Prozesse des gesamten Betriebs vollständig vernetzt sind. Diese Vernetzung
wird zunehmend auch auf die Kunden ausgedehnt, einerseits um die gesamte Produktionskette der verschiedenen Produkte weiter zu optimieren,
andererseits aber auch aufgrund des Interesses der Kunden.
Diese umfangreiche Vernetzung wurde ab etwa 2010 vermehrt angegangen und hat sich ab 2016 deutlich verstärkt. Besonderer Wert wird darauf gelegt,
dass nicht nur umfangreich Daten erfasst, sondern diese auch intensiv aufbereitet und genutzt werden und so der gestiegenen Komplexität Rechnung
getragen wird. Ganz besonders wichtig sind beispielsweise umfangreiche Informationen über den Stand der Produktionsfolge, um die Lieferketten in
optimaler Weise aufrechtzuerhalten. Vorteile ergeben sich zum Beispiel für die Gestaltung der Produktion beim Beschichtungsunternehmen, da weniger
Sonderanforderungen von den Kunden eingehen.
Im Hinblick auf den CO2-Fussabdruck hat es sich bewährt, die Beschäftigten darüber zu informieren, wie sich die einzelnen Prozessschritte auf die
Emissionen auswirken. Dadurch wird das Verständnis für die Auswirkungen der Fertigungsschritte geschärft. So zeigt beispielsweise die genauere
Zuordnung von Stromverbrauch zur Beschichtungsfläche, ob Beschichtungsprozesse korrekt ablaufen oder beispielsweise Kontaktprobleme bei der
Stromzuführung zu Trommeln oder Gestellen auftreten oder Flächenberechnungen fehlerhaft sind. Aber auch die Zuordnung von Prozessen zu
unterschiedlichen Energiebedarfen kann sich sehr stark auf die Energiekosten des gesamten Betriebs auswirken.
In einem nächsten Entwicklungsschritt soll durch Künstliche Intelligenz (KI) bei B+T hier eine sinnvolle Abstimmung im Hinblick auf den
Gesamtverbrauch vorgenommen werden. Dafür wird die Betrachtung auf alle Abläufe im Betrieb ausgedehnt, also zum Beispiel auf Transportvorgänge
durch Stapler oder auch auf den Einfluss des Wetters (heiß/kalt).
Analytik in der Oberflächentechnik
Dr. Elke Spahn befasste sich mit der Nachhaltigkeit der Analytik, wobei sie betonte, dass die Forderung zur Nachhaltigkeit auf EU-Vorgaben
beruht, und zwar unter dem Stichwort Green Deal. In den Betrieben stehen aber nicht Forderungen der Nachhaltigkeit im Vordergrund, sondern die
Stabilität der Prozesse. Der Begriff Analyse bezieht sich nicht nur auf die technischen Prozesse der Beschichtung, sondern auf alle Entscheidungen,
die Menschen im Laufe des Tages treffen.
Technische Analysensysteme werden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt; wie der Nutzerfreundlichkeit, dem benötigten Bedarf, der Genauigkeit,
nach der Qualifikation der Mitarbeitenden oder nach den Kosten für die Beschaffung der Systemen. Für die Oberflächentechnik spielen vor allem die
Verfahren Titration und Spektroskopie wichtige Rollen, da in dieser Branche sehr unterschiedliche Stoffkonzentrationen vorhanden sind. Während im
Produktionsprozess Konzentrationen im 100 g-Bereich vorliegen, bewegt sich die Abwasseranalytik im kleinsten mg-Bereich. Somit ist ein
Entscheidungskriterium für oder gegen ein Analysenverfahren die zu analysierende Stoffkonzentration. Ein sehr wichtiger Aspekt ist auch die
Analysenfrequenz, um zu entscheiden, ob es genügt eine manuelle Analyse durchzuführen oder ob die Digitalisierung beziehungsweise sogar die
Automation der richtige Weg sind.
Viele Prozesse werden in der Galvanotechnik in einem breiten Arbeitsfenster betrieben. Sägezahn-Konzentrationsverläufe werden als selbstverständlich
akzeptiert, was häufig zu fehlerhaften Beschichtungen führt. Am Beispiel der analytischen Betrachtung der Passivierung (siehe Abbildung) lässt
sich zeigen, dass unter Umständen eine Anpassung des Prozesses, auch in Abweichung zu den Herstellerangaben, die Fehlbeschichtungen minimiert und
gleichzeitig Energie- und Chemikalien-Ressourcen einspart.
Durch eine Analyse des Betriebsbereichs der Betriebs- und Abwässer hinsichtlich eingesetzter Ressourcen, wird schnell sichtbar, dass sich die
Menge an Chemikalien, anfallenden Betriebswässern und die Wirkzeiten (Filtern, Fällen, …), durch den Einsatz der Analytik an der richtigen Stelle
drastisch reduzieren lassen. Dieser Ansatz bringt die Betriebe der EU-Forderung nach dem Green Deal ein großes Stück näher.
Agile Produktion
Fabian Herbst, der sich vor allem mit der Bereitstellung von effektiver IT-Technik befasst, stellte die neue Art der Informationsverwaltung
und -nutzung vor, wie sie bei B+T zum Einsatz kommt. Daraus ergeben sich beispielweise Möglichkeiten, die Nachverfolgung von Lieferketten,
Waren- und Produktionsstrecken besser darzustellen oder etwa eine externe Statusabfrage von Aufträgen zu ermöglichen.
Besonders hilfreich ist für B+T der Einsatz von RFIDs. Diese Technologie erlaubt es, neben der Zeiterfassung der Mitarbeiter auch die Bewegungen
von Produkten, Roh- und Betriebsstoffen im Blick zu haben. Der Produktionsprozess erzielt dadurch einen deutlichen Gewinn im Hinblick auf
Flexibilität. Dabei bleibt die RFID-Kennzeichnung nicht nur auf Ware und Mitarbeitende beschränkt, auch Anlagenkomponenten oder Verfahren können
mittels RFID markiert werden. So ist stets bekannt, welche Verfahren in welchem Status verfügbar sind, oder in welchem Verfügbarkeitszustand
Beschichtungsverfahren sind. So kann bereits im Vorfeld einer Bearbeitung ohne Probleme eine Analyse eines Verfahrens angestoßen werden. Damit
erzielt der Betrieb Zeiteinsparungen, die Qualität der Produkte kann sicher hochgehalten werden und insgesamt wird so die Nachhaltigkeit der
Beschichtungstechnologie verbessert. Neben der schnelleren Bearbeitung von anstehenden Aufträgen erlaubt es die RFID-Technologie, Ersatzteile
bezüglich deren Einsatz oder Nachbezug zu verwalten.
ASAP
Mit der Technologie Analyzing System for Automated Processes (ASAP) steht ein Analysesystem zur Verfügung, um die Produktdaten mit den
Analysendaten und den Prozesskennwerten beziehungsweise Planungsdaten für die Produktion zu verbinden. Die Technologie hat ihren Ursprung in der
Datensammlung eines oder mehrerer Analysegeräten. Diese wurde dazu genutzt, eine umfangreiche Auswertung durchzuführen und die Ergebnisse mit
ERP zu verbinden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, verschiedene Module des Betriebs mit entsprechenden Daten versorgen zu können. Ziel ist es,
die Steuerung der Betriebsabläufe zu verbessern und damit die Effizienz des Unternehmens zu erhöhen.
Enthalten sind im Falle der Galvanotechnik in ASAP zum Beispiel die Sicherheitsdatenblätter. In Zukunft sollen die Chemielieferanten mit dem
Versenden der neuen Sicherheitsdatenblätter auch die stattgefundenen Änderungen ausweisen; dadurch wird es für den Nutzer deutlich leichter,
anstehende Änderungen zu berücksichtigen. Im Weiteren wird das System dafür verwendet, die verschiedenen Aktionen wie Nachfüllen oder Messen zu
erfassen, zu überwachen und zu protokollieren. Damit ist eine elektronische Badkarte involviert. Aus diesen Daten lassen sich über einen längeren
Zeitraum betrachtet auch Ansätze für entstehende Produktionsfehler ermitteln und vermeiden. In Zukunft wird die Bewertung der unterschiedlichen
Analysen-ergebnisse durch KI unterstützt.
Neue Technologien in der Praxis
Die galvanotechnische Metallisierung darf durchaus als komplexere Technologie gesehen werden. Dies ist zum Teil der Grund für eine gewisse
Zurückhaltung der Beschichtungsunternehmen bei der Einführung von IT-basierten Verfahren zur Unterstützung der galvanotechnischen Fertigung;
insbesondere auch deshalb, weil eine klassische galvanotechnische Fachausbildung nach wie vor nur einen eingeschränkten Schnittbereich zu den
Fachkenntnissen der IT-Technologie und deren Einsatzmöglichkeiten aufweist.
Erfahrungsgemäß bietet allerdings die direkte Anschauung zum Einsatz einer neuen Technologie die beste Möglichkeit, vorhandene Vorbehalte
abzubauen. Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Workshops boten die Fachleute der B+T einen beeindruckenden Einblick, welche Produktionsbereiche
in welchem Umfang mit den verschiedenen elektronischen Helfern ausgestattet sind und worin der Nutzen bei der täglichen Arbeit liegt.
Darüber hinaus standen die verschiedenen Einrichtungen zur persönlichen Bedienung zur Verfügung. Dazu zählten die einfach zu bedienenden und sehr
effektiven Analysengerätschaften der Gravitech ebenso, wie die präzisen, vollautomatisch arbeitenden Messgeräte der K-Alpha oder die
Datenerfassung und -auswertung der BAG.
Die Veranstalter hatten als einen der Schwerpunkte des Workshops den CO2-Fußabdruck gewählt, der durch die europäische Gesetzgebung zu einem
wichtigen Kennwert für produzierende Unternehmen und deren Zukunft in Europa geworden ist - auch wenn vermutlich vor allem kleinere und mittlere
Unternehmen sich der Tragweite dieser Bestimmungen noch nicht in vollem Umfang bewusst sind. Im Workshop wurde auf beeindruckende Weise
dargestellt, wie die damit verbundenen Anforderungen erfüllt werden können und so der Zukunft der Oberflächentechnik der Weg bereitet werden kann.
Ein weiterer Aspekt wurde bei der Veranstaltung ebenfalls sichtbar, obwohl er nicht ausdrücklich hervorgehoben wurde: Die verschiedenen angebotenen
Technologien werden das Berufsbild des Oberflächenbeschichters bereichern und damit eventuell das aktuelle Problem des Mangels an qualifiziertem
Nachwuchs abmildern können. Die heute allgegenwärtigen elektronischen Mobilgeräte sind hier nahezu unabdingbare Werkzeuge, was sicher vielen
Nachwuchskräften sehr entgegenkommt und zeigt: Galvanische Beschichtung kann eine sehr moderne Technologie sein!